Der Huliflinserl und andere wundersame Erinnerungen

Unlängst saß ich mit meinem Mann bei einer befreundeten Familie auf einer grünen Couch, alt und schäbig, die einzelnen herausnehmbaren Polsterelemente waren zu einem etwas unbequemen Ganzen zusammengefügt und mit einer Decke verschämt zugedeckt. Lachend erzählte uns der Hausherr, dass seine zahlreichen und meist schon erwachsenen Kinder verhindert hätten, das alte Stück zu entsorgen. Sie verbanden nämlich damit eine ganz besondere Erinnerung. Als sie noch klein waren, verwandelte sich die grüne Couch Abend für Abend in einen Ort des Abenteuers. Eine Höhle wurde daraus, eine Fluchtburg oder ein Schloss, je nach der Geschichte, die gerade lief. Der Vater erzählte sie in Fortsetzungen und spielte auch selbst mit.

Daraufhin befragte ich andere nach ähnlichen Erfahrungen.

Ich hörte vom kleinen Timo, der in der Früh, während die Mutter das Frühstück richtete, noch immer schnell zum Papa ins Bett schlüpfte, um „Bär und Igel“ zu spielen. Er selbst war die Katze, eine Hand vom Papa war der Bär, die andere Hand der Igel. Zusammen hatten die drei Tiere viele spannende Erlebnisse, die zuweilen verblüffende Ähnlichkeit mit Ereignissen vom Vortag hatten. Das Gute an dieser Art von Geschichtenerzählen war, dass der Igel-Bären–Timo–Papa ruhig noch ein bisschen „schlafen“ konnte. Nur seine Hände mussten spielen.

Und dann erfuhr ich vom Huliflinserl. Das war ein einfacher Kieselstein. Aber was der alles erlebte! Meine Freundin lauschte Tag für Tag ihrem sonst so strengen Großvater, wie er von der wundersamen Reise des Huliflinserls berichtete. Sie beginnt auf einem Berggipfel, wo er die Sonne über fernen Bergen aufgehen sieht, aber auch Sturm und Schnee zu spüren bekommt. Eine Lawine reißt ihn ins Tal, er findet sich in einem klaren Bacherl, mit kleinen Fischen und großen Mäulern von trinkenden Tieren und viel später in einer dunklen Hosentasche, in einem Klassenzimmer… bis er schließlich…wo eigentlich?… landet.

Als junge Mutter ist mir das Erzählen von selbsterfundenen Geschichten sehr schwer gefallen. Daher habe ich folgendes versucht, ich schrieb eine

Anleitung zum Erzählen von Geschichten

Man braucht eine oder zwei handelnde Personen, die immer gleich bleiben:
Wenn man will, kann man für sie lustige Namen erfinden. Hilfreich sind ein paar einfache Requisiten: Polster, Decken, Wurzeln, Steine, Fingerpuppen, Stofftiere u.s.w.

Die Handlung soll ganz einfach sein, etwas aus dem Lebensbereich des Kindes. Man beschreibt, wie der Held sie erlebt, was er sieht, hört, riecht und fühlt. Dazwischen kann man auch das Kind fragen, wie es weitergehen könnte. Wenn alles zu einem versöhnlichen Ende gekommen ist, fühlt es sich jedenfalls glücklich und zufrieden.

Die alte grüne Couch hat mir gezeigt, wie viel Glück und Geborgenheit das Erzählen von Geschichten vermitteln kann. Vorausgesetzt man schafft es, dabei selbst Kind zu sein.