Poetry Slams

Ein nacktes Vogerl
kann nicht fliegen,
ein blindes Kätzchen
wird noch keine Maus besiegen, doch

Menschenkinder wirft man aus dem Nest,
macht die Augen zu und glaubt ganz fest,
dass sie die Wärme nicht vermissen,
sobald man sie hinausgeschmissen.

Kleine Füchse sind geschützt in Höhlen.
Kleine Kinder darf man niemals quälen.
Trotzdem wirft man sie hinaus
und setzt sie fremden Menschen aus.

Kinder wollen mit dabei sein, plaudern, kuscheln.
Es ist nicht immer leicht, sie zu verstehen.
Wie soll’n das fremde Leute können,
die nur ihren Dienst versehen?

Doch seid getrost,
der Schmerz der Kinder geht vorüber,
sie ziehen ihre Lehren draus.
Sie lernen, nicht so tief zu lieben
und richten sich nach Materiellem aus.

Beklagt euch nicht,
wenn sie euch später nicht besuchen!
Sie wissen nicht, was Herzensbindung ist.
Sie müssen dann ihr eignes Glück versuchen
und hoffen, dass ihr Kind sie nicht vergisst.

 

Krabbelstuben-Blues

Nach dem Willen der herrschenden Klasse sollen die Frauen, nachdem sie ein Kind geboren haben, noch früher als bisher wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden. Wenn man die Betroffenen dazu befragen könnte, was würden sie sagen?

Du bist gemein, Mama!
Nein, so geht das nicht –
das Kind ist erst wenige Monate alt.
Noch einmal von vorne.

Du bist mein, Mama!
Warum lässt du mich hier zurück?
Ich bin doch so klein, Mama,
und du bist mein ganzes Glück

Wie kuschelig war deine Brust,
da roch es nach Milch und nach dir.
Für wie kurz war mir nicht bewusst,
ich lebte im ewigen Hier.

Jetzt verrinnen die Stunden
und ich starre zur Tür
durch die du verschwunden.
Sie ist zu, bummfest zu, immer noch zu!
Mama, ich will doch zu dir,
denn retten kannst mich nur du!

Du bist mein, Mama!
Warum lässt du mich hier zurück?
Ich bin doch so klein, Mama,
und du bist mein ganzes Glück.

Hier ist es gefährlich,
ich kann es riechen.
Was soll ich bloß tun?
Ich kann nicht einmal kriechen.
Ich höre fremdes Geschrei,
habe Angst und beginne zu weinen.
Es ist nicht wie sonst, du eilst nicht herbei
und keiner tröstet die anderen Kleinen.

Du bist mein, Mama!
Warum lässt du mich hier zurück?
Ich bin doch so klein, Mama,
und du bist mein ganzes Glück.

Ein frühes Trauma wird gründlich verdrängt.
Einmal erwachsen hat das Kind
Ohnmacht und Todesangst vergessen
und es wird vielleicht selber ein Kind haben
und eines Tages wird diese Frau oder dieser Mann
sein Kind in einer Institution abgeben.

Und während sie/ er schwierige Kunden bedient, einen Vortrag hält, Kinder unterrichtet, wird ihr/ sein Kind ein stummes Lied singen, von dem es nicht weiß, woher es das hat und das es wieder vergessen wird, um es in der ewig vergrabenen Erinnerung an ihr/ sein Kind wieder weiterzugeben. Und das Lied geht so:

Du bist mein, Mama/ Papa
Warum lässt du mich hier zurück?
Ich bin doch so klein, Mama/ Papa
und ihr seid mein ganzes Glück.

(c) Maria Harbich-Engels