1. Februar 2008

Zum Sonnenaufgang bin ich schon am Strand. Alle Inseln in der Flussmündung, die wir gestern gesehen haben, sind jetzt unter Wasser, vorerst dunklem Wasser und dunkle Berge dahinter, aber die Wolken darüber werden bald rötlich überhaucht. Die Sonne leuchtet am glatten Meer wie flüssiges Gold. Ich sammle leere Scallopmuscheln und gehe schwimmen, während Gerald die Morgenkühle schlafend genießt. Ich kann auch gut gegen die Strömung schwimmen. Herrlich erfrischt gehe ich noch einmal kurz duschen.
Nach dem Frühstück sehen wir die Nachbarn mit dem Boot wieder heimkommen. Mit einem Schild haben sie im seichten Wasser Scallopmuscheln gesammelt. 150 für 3 Personen sind erlaubt. Sie wollen sie einfrieren und nach Hause nach Greymouth nehmen. Sie haben dort eine Bäckerei. Eine Muschel lassen sie uns roh kosten, schmeckt sehr gut, ganz zart und fast süßlich. Sie bekommen Mozartkugeln dafür, wir wieder selbstgemachte Kekse. Sie haben ein Sommerhaus in Okarito und kennen Keri Hulmes! „A strange woman“, raucht Pfeife und geht immer herum. „Did you finish her book?“

Fahrt nach Norden zum Farewellspit.

Eine flache, flache Sandküste entlang. Hier und da kleine Ferienhäuser, schöne Wiesen dazwischen, Kühe, Schafe, ein schmales ebenes Land, dann Hügel mit herrlichem Wald.

Leider ist der Weg zur Whararikibeach nicht machbar für Gerald. So wandere ich alleine über die Weiden einer DOCfarm, an Schafen vorbei. Unten, in der eingeschnittenen Senke muss ein Bach sein, dichter Wald wächst dort, Büsche. Auf dieser Farm versucht man Landwirtschaft und Naturschutz in Einklang zu bringen, was sonst sehr selten ist in NZ. Cabbagetrees stehen auf den Weiden. Die Schafe freuen sich über den Schatten an diesem heißen Tag. Auch ich, als der Weg durch einen Kanukawald führt. Trotz stürmischen Windes ist die Sonneneinstrahlung intensiv. Jetzt kann ich ihn sehen, den braunen Fluss. Zwischen Flax und anderen Büschen windet er sich aus den Hügeln, an den hohen, quer stehenden Sanddünen vorbei zu den mächtigen Felsen, mit welchen gemeinsam er die Sanddünen durchbricht und dann in einem dem Wechsel der Gezeiten ausgesetzten Sandbett gemächlich zum Meer fließt. Unerwartet führt sein Weg dort nicht durch die Gasse zwischen den großen Felsen, sondern in eine schmale dunkle Höhle derselben, die zwischen dem glatten, festen Sandstrand und der wilden tasmanischen See liegen. Schmal und schwach rinnt er da hinein, wo er doch über Jahrmillionen dieses Loch in den Felsen gebohrt hat, aber nicht allein, die steigende Flut macht sich schon bemerkbar und schickt ihre ersten Vorboten aus diesem Felsentor heraus. In einer benachbarten Höhle, auch groß wie ein Mensch, aber geformt wie ein Schlüsselloch, dröhnt die Brandung, die auf der anderen Seite gegen den Felsen tost, so unheimlich, dass ich schnell wieder herauskomme. Ich wandere um den berggroßen Felsen herum und komme an einen fantastischen Strand. Auf eine riesige Ebene aus festem feinem Sand – ganz sauber gefegt vom Sturm- rollt das wild schäumende westliche Meer. Ein Vater springt mit seinem Sohn voll Freude darin herum. Gleich daneben in einer Einbuchtung des nächsten rauen, aus einem Konglomerat mit großen runden schwarzen Steinen bestehenden, Felsens sitzt eine Robbe und putzt sich seelenruhig. Ich wandere weiter, den Felsen entlang, in dessen Windschatten sich ein Mann seine Zigarette anzünden will. Plötzlich hört man es quieken und einen erbosten Schrei einer Robbenmutter, die jetzt aus ihrer Spalte zwischen Sand und schwarzem Gestein mit ihren großen glänzenden Augen herauslugt, wer sie wohl beim Säugen stört. Unweit davon hat sich um einen kleinen Felsen im Sand eine Mulde mit sonnengewärmtem Meerwasser gebildet, in dem ein Mädchen mit rosa Kleidchen und Hütchen sitzt und mit Hingabe im nassen Sand spielt. Ein Mann hat seine Angel mitgebracht. Unter den Menschen herrscht eine glücklich, fast feierliche Stimmung. Sie genießen es, an diesem wunderbaren Ort zu sein. Nach dem schwarzen Felsen öffnet sich die Küste wieder zu einem weiten, weiten, weißen glatten Bogen, an den die wilden Wellen rollen, landeinwärts immer zahmer werdend. So blau ist das Meer! Es umspült eine riesige Klippe weiter draußen. Der weiße Bogen wird wieder von hohen Felsen abgeschlossen, die ich nicht mehr erforsche, da Gerald wartet. Ich wandere zurück über die Dünen. Vorher ziehe ich mir die Schuhe an, denn beim Hergehen habe ich mir an einem der Sonne zugewandten Hang im glühenden Sand die Fußsohlen verbrannt. Der Dünenstreifen ist sehr breit. Zuerst überquert man kleine Hügel, dann kommt ein Sandtal schräg zur Küste, durch das ein Sturm pfeift, der alle Spuren sofort wieder verwischt und mir den Sand ins Gesicht bläst. Ich klettere aus diesem Tal auf einen weiteren Dünenkamm, der ein wenig mit hartem Gras bewachsen ist, und durch tiefen feinen Sand wieder hinunter und schließlich hinauf auf bewaldete Hügel, vom Sand überblasen, bis ich wieder auf die Weiden gelange der DOCfarm, bei der Gerald im Auto inzwischen Sudoku aufgelöst hat.

Wir essen Brote auf der letzten Erhebung, bevor der 30 km lange Spit aus Sand beginnt, bei einem kleinen DOC Restaurant. Dann bezwingen wir einen hohen Schafhügel, von dem aus wir eine noch bessere Sicht haben: auf die Golden Bay im Osten, zum Spit, der sich aufs offene Meer hinaus im Dunst verliert und Heimat von Millionen See- und Watvögeln ist und auf die Weiden der DOC Farm, hinter der sich die Steilküste der Westcoast erahnen lässt. Danach entdecken wir endlich die Zufahrt zum Cape Farewell , auf das uns ein Tourist aufmerksam gemacht hat, als Gerald auf dem Weg zur Whararikibeach umkehren musste. Wir machen einige Gatter auf- und zu, fahren an Rindern und Schafen vorbei und an hohen Cabbagetrees. Wir parken das Auto und hoffen, dass es von den Rindern verschont wird. Dann wandern wir einen steinigen Feldweg steil bergauf und stehen bald am Steilabfall zum Meer vor dem nördlichsten Punkt der Insel: Ein Felsenbogen, angehängt an der Steilküste, durch den das Meer braust. Im Schatten davor sehen wir tief unten Robben, ja einen ganzen Kindergarten. Eine große Robbe schwimmt mitten in der Brandung, die gegen die Felsen schlägt. Sie weiß sich zu bewegen dort, wo ein Mensch längst umkommen würde. An der senkrechten Felswand sehen wir sandfarbene Streifen abwechselnd mit solchen aus Konglomerat. Hoch oben, wo der Steilabfall fast doppelt so hoch wie auf unserem Standort ist, weiden Kühe ohne Zaun.

Auf einem Picknickplatz in Pakawau, ein Stück weiter südlich, übernachten wir neben etlichen Wohnmobilen. Ich finde am Strand wunderschöne Meerschneckenhäuser in allen Farbschattierungen.