16. Jänner 2008

Kaum dass die Sonne auf die Westseite des Gletschers fällt, die wir gerade noch sehen können vom noch dunklen Campingplatz aus, brechen wir auf zum Walk zu den Blue Pools . Der Weg führt durch einen Wald mit großen Südbuchen. Neben einem uralten Baum mit großen Seitenästen steht schon kerzengerade ein schlanker junger, zweieinhalb Spannen im Unfang, der seine kleine Krone hoch oben im Blätterdach ans Licht hält. Drunten im Tal führt eine kleine Hängebrücke über einen grünen Fluss. Gerald fährt zurück. Ich entdecke drüben ein Farn, bei dem die gefiederten Blätter wie ein Teller angeordnet sind. Ein Steg führt zu einer Felsenpforte, aus der der blaue Fluss tritt, nachdem er durch ein Waldtal geflossen ist. Er rinnt in ein sehr tiefes Becken, wo das gänzlich klare Wasser annähernd ruhig steht, ehe es in den grünen Fluss mündet. Eine riesige Forelle steht in dem Becken, in dem sich die Felsen spiegeln. Herrlich schimmernde Blautöne.

Frühstück, Fantailwasserfall noch im Schatten. Der Thunderfall, ein wenig später, nicht mehr. Er donnert wirklich 50 Meter in die Tiefe.

Wir fahren immer den Haast entlang, der sich bei den Gates of Haast einen Weg durch die Felsen gebrochen hat und zwischen einer senkrechten Wand und einem steilen Hang über mächtige Felsblöcke in die Tiefe stürzt. Danach breitet er sich gemächlich in einem weiten ebenen Tal aus, das er mit Schotter angefüllt hat. Von einer Brücke aus fotografiere ich den Mt. Solution hinter der Flussebene, beim Zusammenfluss des Haast mit dem Landsborogh dann den Mt. Ward. So taucht fast nach jeder Wegbiegung eine neue vergletscherte Spitze auf. Hier hören wir zum ersten Mal das ohrenbetäubende Zirpen der Zikaden der Westküste.

Die beiden vereinigten Flüsse haben im Laufe der Zeit einiges an Material angeschleppt und einen weiten Talboden damit angefüllt, an dessen Rand wir nach Westen fahren.

Der breite, blaue Fluss, weißer Schotter, manchmal Weiden, auf beiden Seiten Berge mit immer üppigeren Wäldern. Da und dort ragen schroffe Spitzen daraus hervor, manchmal weiß. Wir haben den Eindruck, als würden wir schrumpfen, da der Wald, durch den wir fahren, immer höher und höher wird. Schon die Baumfarne sind hier doppelt so hoch, mindestens 8 m hoch, dazwischen stehen riesige Rimus, im Sumpfland Kahikateas. Viele verschiedene Büsche wachsen dazwischen, alles üppig, dicht gedrängt. Wir erreichen Haast , ein winziges Nest ohne Postkasten und überqueren dann auf einer langen Brücke den Haast River, von der aus wir die Tasmanische See sehen können. Es muss eine sehr wilde See sein, denn man stellt hier das Wrack eines australischen Holzschiffes aus, das der Sturm bis hier her geblasen hat.

Wir fahren die Küste entlang nach Norden. Manukas sind vom Sturm schiefgeblasen. Am Waldrand bilden sie ein dichtes schräges Dach, aus dem Kahikateas von beeindruckender Größe herausragen. Nach ca. 10 km bleiben wir an einer Flussmündung stehen, um einen Boarded Walk (Wanderung auf Stegen) durch den Sumpfwald (Swampforest) zu wandern. Ein brauner Fluss, in dem die Stämme rot verrotten, rinnt dort ins Meer. Flax säumt ihn und Kamahis, Bäume mit winzigen rosa Blüten, die in dichten fingerförmigen Rispen angeordnet sind. Wenn die Samenkapseln reif werden, färben sie sich rot, was ganze Baumkronen rot schimmern lässt. Am Waldboden steht das Wasser, in dem sich die Kronen der Kahikateas spiegeln. Das sind Urweltriesen mit Blättern wie bei Zypressen, 50 Meter hoch, bewachsen von Schlingpflanzen, Moosen, Flechten, Farnen und Misteln. Auch Pflanzen mit lilienartigen Blättern schlingen sich mit armdicken Stämmen hinauf. Da die Bäume oft im Wasser stehen, bilden sie schlangenartige Wurzeln über der Oberfläche, um genug Luft in das Wurzelsystem pumpen zu können. Auf verrottendem Holz wachsen hellgrüne muschelförmige Farne. Dazwischen stehen große Baumfarne. Wir kommen uns vor wie im Palmenhaus, nur dass sich der Urwald schier unbegrenzt ausdehnt.

Zum Mittagessen setzen wir uns mit Broten auf die Sanddünen, die hier in zehntausenden von Jahren aus Material, vom Haastriver mitgebracht, angeweht wurden, von hartem goldenen Grasbüscheln bewachsen werden und zum Beispiel von großen Tausendfüsslern bewohnt. Wir blicken auf die donnernden Wellen hinaus, die sich am flachen Strand aufbäumen. Jede ist anders, alle 10 min. kommt eine riesige. Gleich hinter den Dünen hat sich ein See gebildet, in dem bambusartiges Gras wächst, dahinter ist der Sumpfwald, den wir noch einmal genießen.

Ein Stückchen weiter nördlich, nahe beim Lake Moeraki führt ein Pfad durch den Dschungel, der einst für die Pferde gemacht wurde, der die Goldgräber versorgte: Monro-Walk . In vielen Windungen schlängelt er sich einen braunen Bach entlang, der schließlich aus dem Wald tritt und an Felsen vorbei ins Meer fließt. Dort setzen wir uns in den heißen Sand und schauen den Wellen zu, die zwischen Felsen, an denen manchmal hohe Gischtfontänen entstehen, ans kiesige Ufer rollen. Wir gehen ein Stück näher und sind überrascht, mit welcher Gewalt selbst die winzigen schaumigen Ausläufer der Wellen vor- und vor allem zurückströmen. Obwohl ich sie aufgekrempelt habe, sind die Hosenbeine nass geworden. Wir sammeln Treibholz, eine schöne Muschel mit Perlmutt und herrliche runde Steine. Einer ist so gestreift wie ein Felsen am Glacierburn. Die Sonne sinkt, die Sandflies überfallen uns, so treten wir den Rückzug an. Gr. Baumfarne, Kahikatea, Fuchsienbäume…

In der anbrechenden Dämmerung fahren wir durch Wald, Wald, Wald, dazwischen eine große Flussebene mit einer einsamen Farm, Gletscher im Osten, bis an den Sandy Beech, an dem wir übernachten. Das regelmäßige Tosen stört unseren Schlaf nicht und die Sandflies müssen draußen bleiben.