2. Jänner 2008

Zeitig am Morgen blicken wir vom Fenster unseres Busses aus auf weite Sandflächen, die gestern noch von der Flut bedeckt waren. In der Ferne entdecken wir einige Seelöwen. Ich ziehe aus, um sie zu beobachten. Während ich knapp an der Wasserlinie durch den Sand gehe, höre ich plötzlich hinter mir lautes Schnauben. Rasch wende ich mich um und sehe einen Seelöwen aus dem Wasser springen. Mit einer angriffslustigen Gebärde bedeutet er mir, zu verschwinden. Ich gehe auf Distanz, folge ihm aber zu den anderen Tieren. Ein riesiges Männchen sitzt dort mit erhobenem Haupt. Drei Weibchen tummeln sich um ihn. Sie jagen und beißen einander, richten sich Brust an Brust auf und werfen sich dann wieder in den Sand, buddeln sich ein und schaufeln mit den Flossen Sand auf ihren Rücken. Da taucht aus dem Meer ein weiteres Tier auf. Ist es ein junges Männchen? Lange Zeit liegt es am Ufer und beobachtet die 4 aus dem Augenwinkel. Dann schiebt es sich unauffällig näher, kommt aber nicht weit. Das alte Männchen bringt seine ungeheure Körperfülle in erstaunliche Geschwindigkeit, indem es seitwärts auf das Jungtier zuhoppelt. Dieses zögert nicht lange und wirft sich in die rettenden Fluten. Bald danach sind alle im Wasser, aber auch dort hört die Balgerei nicht auf.

Auf dem Weg zu den Purakaunui – Fällen betreten wir zum ersten Mal richtigen Urwald. Wir sind begeistert. Zwischen den geraden, längs gerippten Stämmen uralter Tatoas sehen übermannshohe Baumfarne ganz klein aus, ebenso die Fuchsienbäume, mit ihren leuchtend rotbraunen, papieren abblätternden Stämmen. Mächtige Beeches stehen dazwischen, deren Kronen wir gar nicht mehr sehen können und weißgesprenkelte fingerdicke Stämmchen von Jungbäumen. Der Weg führt bergab auf einer Holzbrücke über einen Bach, an dessen Ufern alle Pflanzen dick bemoost sind. Schummrig grün ist es hier. Den Wasserfall kann Gerald nur von oben sehen, da der Weg zu steil ist, aber zum Matai – Fall gehen wir beide. Mitten im tiefen Wald springt er über eine Steilstufe herunter. Der Weg dorthin ist immer bergab gegangen. Ein aufmerksamer Neuseeländer hat das bemerkt und schiebt Gerald am Rückweg, während ich ziehe, worüber ich sehr froh bin.

Weiter geht es mit dem Auto bis zu einem Punkt, von dem aus man eine traumhafte Aussicht auf die Tautuku-Bay hat. Der Wind ist nicht allzu stark, so kochen und essen wir hier Brokkoli – Käse – Suppe, während wir hinunter auf das türkisblaue Meer schauen, auf dem in großen Bögen weiße Brandungswellen dicht hintereinander an den geschwungenen hellbraunen Sandstrand schlagen. Hier steht kein Haus, nur Wald säumt den Strand, verbrämt mit den roten Kronen der ChristmasTrees. Später werde ich durch diesen Wald gehen, von der Straße hinunter bis zum Strand. Zwischen uralten dicken Stämmen wird ein Tui märchenhaft singen. Ein winzigkleiner schwarzweißer Tomtit wird vor mir her hüpfen und aufgeregt nach Insekten picken.

Walk mit Gerald zu Lake Wilkie . Im schwarzen Moorsee spiegelt sich grüner Flax, roter Rata und weißblühender Manuka. Wir stehen lange auf dem Steg, über den der Weg führt. Es ist sehr still.

Eigentlich bin ich schon hundemüde, aber der Campingwart macht uns darauf aufmerksam, dass die Cathedral Caves wegen der Gezeiten gerade nur abends geöffnet sind. So wandere ich alleine noch einmal durch den Urwald, einen breiten Sandstrand entlang, bis zu den Höhlen, die, kathedralengroß, aus einem riesigen, ins Meer hineinragenden Felsen ausgewaschen wurden.