20. Jänner 2008

Gestern war es schon finster, als wir uns auf einem Rastplatz schlafen legten. Umso überraschender war der Ausblick am Morgen: Zurück auf die großen Gletscher und auf das Meer!

Im ersten Morgenlicht fahren wir los. Die Straße führt nahe der Küste, an der auf grünen Weiden Rinder stehen, dazwischen ein paar sturmverformte Bäume. Rechts von der Straße ist Urwald mit dem üblichen schrägen Kronendach, aus dem ein paar Kahikateas herausragen. Wir besuchen den Mahinapua-See , einen idyllischen See zum Segeln oder Paddeln mit Alpenblick. Nach einer kleinen Runde um ein Teichlein, in dem mit tiefer Stimme ein paar Frösche röhren, fahren wir weiter nach Hokitika.

Was für eine Stadt! Umkränzt von weißen, im Dunst schimmernden Bergen, in der Mitte eine große weiße Kirche, zwei Geschäftsstraßen im Wild West Look, wo wir Whitebait essen (eine Spezialität aus Köderfischchen), mit Jade- und anderen Geschäften, gelegen an der breiten, von einer langen Brücke überspannten Mündung des Hokitika, der sich mit mächtigem Geschiebe blau durch die Ebene windet, und an einem endlosen Sandstrand, an dem die herrliche Brandung die verbliebenen Steine zu typischen flachen Scheiben reibt und Treibholz in den skurillsten Formen abladet. Beides legen sich die Leute in die Vorgärten der lieben kleinen Holzhäuser, oder in die Jadegeschäfte. Diese besichtigen wir, um einiges einzukaufen. Eines hat besonders wertvolle Stücke, Angelhaken, Schmuck, Dekorstücke aus Jade in den schönsten Farben und Mustern, oft wunderbar durchscheinend. Es ist ein Vergnügen, es zu bestaunen. Wir finden das kleine Atelier eines Künstlers maorischer Abstammung. Ein blatt- oder herzförmiger Anhänger aus gelblich durchzogener grüner Jade fällt mir ins Auge. Er hebt sich wohltuend von der Massenware der großen Werkstätten ab und wird mich immer an diesen Ort erinnern.

Nachdem wir ausgiebig Sand, Wind und Wellen genossen haben und Treibholz und Steine gesammelt, fahren wir zu einem Schlafplatz am Meer, in einer Bucht nördlich von Greymouth. Dort sehen wir die Sonne sinken. Ein paar einheimische Jugendliche sitzen direkt in ihrer goldenen Bahn, mit einem Hund und einer Angel. Ein anderer wirft in den Gischtbögen, manchmal bis zum Bauch im Wasser, die Angel aus. Über dem Horizont stehen ein paar Wolken, so ist der Sonnenuntergang zunächst nicht so spektakulär, aber als wir schon im Auto sind, färbt sich der Himmel in sanften dichten Farben. Jemand hat angeschwemmte Stämme in den Kies gesteckt. Vor diesem Himmel bilden sie eine lustige Silhouette. Aus dem Wald steigt der Dreiviertelmond und mitten in der Nacht weckt er mich auf, als er ins Fenster scheint und langsam im Meer versinkt. Er hat eine silberne Spur. Erst im Meeresdunst färbt er sich rötlich. Diese Nacht habe ich mich etwas gefürchtet. Es waren zwar noch zwei andere Campingbusse da, aber in einem war ein verwilderter Neuseeländer, ein junger Mann, den es anscheinend etwas aus der Bahn geworfen hat. Er erzählte, er sei schon monatelang unterwegs und ernähre sich manchmal nur von Muscheln. Er hatte kein Geld mehr und war mir etwas unheimlich.