3. Jänner 2008

Um 5 Uhr früh werden wir durch das Morgenkonzert von Bellbirds („Glockenvögel“) geweckt. Bim bam, klare Quinten von oben nach unten, dazwischen leiser und etwas verzögert die Oktav. Es müssen viele Bellbirds sein, denn es ist ein richtiges Festgeläute, mit vielen Stimmen anderer Vögel dazwischen. Ein heftiger Regenguss bringt alles zum Verstummen. Nachher stopfen wir die feuchte Plane, die wie ein Vorzelt über der Heckklappe hängt, in die Hülle und fahren zu den Mc Lean Falls . Alles tropft, die Sonne schimmert durch die Kronen und lässt die hellgrünen Baumfarne und die Hängemoose leuchten, ebenso die fetzigen rostbraunen Stämme der Fuchsienbäume, die gefleckten der Kamahis und die Manukas, über und über voller weißer Blüten. Noch einen Weißblüher sehen wir. Seine Blätter sind umrandet mit vielen Stacheln. Am meisten beeindrucken mich die Rimus, Podocarpaceae, deren junge Bäume die Äste in grünen wehenden Schleiern hängen lassen, als Erwachsene aber in großer Höhe und auf mächtigen wassergezeichneten Stämmen in die Höhe recken. Ein Pärchen Woodpigeons, grün schimmernd, mit weißem Bauch und rotem Schnabel und Krallen und viel größer als unsere Tauben, schwingt sich, geräuschvoll mit den Flügeln schlagend als wären sie nicht geschmiert, in die Lüfte. Der Weg wird steil und felsig. Gerald kommt nicht weiter und wartet auf mich, während ich bis zum Wasserfall gehe. Er stürzt über eine hohe schwarze, z.T. grün bemooste Wand, springt schäumend über einige Stufen und tost dann weiter in die Tiefe. Die Gischt hüllt den dichten Wald in feinen Nebel, während der braune Fluss über große Steine fort und fort läuft.

Zu Mittag essen wir Bohnen-Muschelsalat. Während Gerald schläft, wandere ich durch einen Wald aus Manukas zu einem einsamen Estuary . So nennt man den Mündungsbereich eines Flusses, der von Ebbe und Flut geprägt wird. Auf einem Steg führt der Weg durch weite Flächen rötlich braunen Riedgrases bis zu schneckenhausübersäten Schlickflächen, wo in kleinen Löchern schlammfarbene Krebse hausen. Ein riesiger weißer Löffler löffelt mit seinem schwarzen Schnabel im Boden herum, dahinter sieht man das schmale Band des Flusses, der aus dem bis an den Horizont reichenden Wald tritt. Rimus stehen am anderen Ufer und dazwischen rote Christmas Trees. In der Ferne schwimmen ein paar sehr große Vögel. Kein Ton dringt zu mir, auch vom Meer kann man nichts hören. Nur der Wind bläst und treibt die Wolken rasch über den Wald, auf den ihr fliehender Schatten fällt.

Über Farmland fahren wir weiter bis zur Curio Bay, ganz im Süden Neuseelands. Ein heftiger Wind kräuselt die Wellen in der Delfinbucht. Auf einem hohen, ins Meer hineinragenden Felsen wollen wir aussteigen, aber der Sturm bläst uns fast um. Der Ozean tost gegen die steile Küste. Immer wieder kommt eine Riesenwelle. Die Gischt spritzt meterhoch und fährt in den Kelb, eine Wasserpflanze, die auf den Felsen wächst und seine langen flachen Schläuche wie gewaltige Haare vom Wasser umspülen lässt. Ein kurzer Regenschauer peitscht uns ins Gesicht, und jagt uns zurück ins Auto. Ein Stückchen weiter gelangen wir zu einem versteinerten Wald. Auf einer, dem Land vorgelagerten, von der Flut umspülten, jetzt aber freien Felsplatte sieht man versteinerte Baumstämme und –strünke. Ein kleiner Kormoran läuft dazwischen herum, eine Robbe liegt hinter einem Felsen, ein Austernfischer führt zwei Küken. Das Meer tost und brandet in großen und ganz großen Wellen. Versteckt zwischen Flax, einer Pflanze, aus der die Moajäger Kleidung machten – kuschelig kann die nicht gewesen sein! -, auf einem kleinen Campingplatz ganz am Meer, stellen wir unser Auto ab und schauen noch zwei Gelbaugenpinguinen zu, wie sie ins Meer watscheln, dort unten, über den versteinerten Wald.