Fast wie ein Engel

Unlängst wurde ich in einem Dorf, wo ich bei Freunden eingeladen war, Zeuge eines Gespräches. Der Pfarrer bot einen Termin zur Weihnachtsbeichte an. Einige ältere Damen meinten, sie hätten sowieso keine Sünden. Daraufhin bat eine junge Mutter darum, den Termin für die Kinderbeichte freizuhalten. Ich kam nachher mit ihr ins Gespräch. Sie erzählte mir von ihrer allerersten Beichte. Sie hätte sie noch sehr gut in Erinnerung. Obwohl ihr vorher ein wenig bange war, hätte sie nachher das Gefühl gehabt, sie könnte fliegen, so leicht und glücklich war ihr zumute. Später war es nicht immer so deutlich, aber ein Funke von diesem Gefühl sei für sie nach jeder Beichte zu spüren. Bis heute. Wenn es ihr auch manchmal eine große Überwindung kostet, so versäumt sie doch nie, vor Weihnachten beichten zu gehen. „Das Fest bekommt erst dadurch einen besonderen Glanz.“, meinte sie.

Als ich den Platz vor der Kirche verließ, hörte ich zwei Altbauernpaare miteinander sprechen. „Wir tragen unsere Sünden nach Mariazell“, meinten die einen. „Wir gehen in der Stephanskirche“, sagten die anderen. Die Männer waren ein wenig verlegen, die Frauen lächelten, wie in Erinnerung an ein besonderes Erlebnis.

Zuhause dachte ich an meine eigenen Beichterlebnisse. Nicht immer stellen sich besondere Gefühle nachher ein. Aber ich sehe deutlich klarer. Gut und Böse verschwimmen weniger miteinander. Die daraus gewonnene Erkenntnis tut manchmal weh. Trotzdem bin ich dann voll Dankbarkeit, dass ich etwas dazugelernt habe. Und diese Dankbarkeit verleiht dann doch so etwas wie Flügel.