Frag zuerst nach

Manchmal braucht man lange, um eine einfache Wahrheit zu entdecken. So ging es mir mit dem Nachfragen. Ich hatte mir schon immer gründlich den Kopf zerbrochen über den einen oder anderen Menschen meiner Umgebung. Dann machte ich mir ein Bild und sagte: „Aha, das also sind die Beweggründe seines Tuns!“ Dabei hatte ich etwas Wichtiges übersehen: Ich habe keine Röntgenaugen. Warum jemand so oder so handelt kann ich gar nicht wissen, wenn ich ihn nicht gefragt habe. Die Schlüsse, die ich über ihn ziehe, gehen mitunter völlig daneben, weil ich von mir und meinem Erfahrungshintergrund ausgehe. Und der ist bei jedem Menschen grundsätzlich verschieden.

Daher versuche ich jetzt, mir eine neue Methode anzugewöhnen. Wenn mich etwas ärgert an jemandem oder irritiert, oder auch nur auffällt, dann frage ich nach und versuche, ihn von seiner Warte aus zu verstehen, noch bevor ich mir auch nur irgendein Urteil bilde. Dadurch hat sich das Verhältnis zu meinen Mitmenschen verändert. Ich bilde mir nicht mehr ein, sie zu durchschauen, ich entdecke Seiten an ihnen, die mir gänzlich unbekannt sind, ich lerne eine Menge für mich selber. Und damit ich nicht darauf vergesse nachzufragen, hängt ein Schild neben meinem Bett, auf dem steht: „Frag nach!“