Guter Rat ist teuer

Er kann einem aber auch teuer zu stehen kommen. Dann nämlich, wenn er nicht zum Erfolg führt. Meine Großmutter verpackte ihre Sorge um unsere Familie immer in gute Ratschläge. Ich kann mich noch gut erinnern, wie meine Mutter dabei die Augen verdrehte. Vermutlich haben das meine Kinder auch bei meinen Ratschlägen manchmal getan.

Heute halte ich mich zurück. Auch wenn die Versuchung groß ist, aus lauter Mitgefühl die Probleme des Nächsten lösen zu wollen, eines ist klar: Jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich. Daher sollte man ungefragt überhaupt keine Ratschläge erteilen. Man kann vielleicht seine eigene Meinung zu einem Thema vorsichtig und kurz formulieren, als eine Möglichkeit („so hab ich das einmal gemacht“). Aus Respekt vor der Freiheit des anderen sollte man aber nicht darauf beharren. Am besten man wechselt schnell das Thema und spricht von etwas anderem. Wenn man hingegen jemanden mit der Nase auf etwas stößt, was man nicht für richtig hält, wird derjenige sich wehren. Es bringt also nichts. Zur Achtung vor dem Mitmenschen gehört, dass man ihm zutraut, seine Probleme selbst zu lösen und sich Hilfe zu holen, wo und wann er will. Das heißt aber nicht, dass einem der andere gleichgültig ist, dass man nicht Anteil nimmt und stets zur Hilfe bereit ist.

Im ersten Band von „Der Herr der Ringe“ (J.R.R. Tolkien) sagt der Elbe Gildor zu Frodo: „Elben geben selten unvorsichtige Ratschläge, denn Ratschläge sind eine gefährliche Gabe, selbst von den Weisen an die Weisen, und alle Wege mögen in die Irre führen.“ Man ist nicht der liebe Gott, der alle Möglichkeiten und Gefahren sieht. Woher soll man also sicher wissen, was dem anderen nützt?