Höflichkeit, die von Herzen kommt

Nachdem meine Tochter die Gesellenprüfung gut bestanden hatte, begab sie sich auf Arbeitssuche. Dabei reiste sie quer durch Österreich, sogar bis nach Tirol. Dort musste sie feststellen, wie wenig der Internetauftritt eines Betriebes mit der Realität zu tun haben kann. Eine Firma erschien online freundlich, dennoch fühlte sie sich dort überhaupt nicht willkommen. In einer anderen Firma wurde sie mit Herzlichkeit aufgenommen und gleich allen möglichen Mitarbeitern vorgestellt, obwohl die Homepage unpersönlich wirkte, in einer dritten teilte man ihr eine Nummer zu, unter der sie zum Aufnahmegespräch aufgerufen wurde.

Während ich die Erfahrungen meiner Tochter verfolgte, machte ich mir Gedanken über Sein und Schein. Für die einen war sie in erster Linie ein Mensch, dem man begegnet, und erst in zweiter Linie eine mögliche Arbeitskraft. Für die anderen zählte nur die Nützlichkeit, der Wirtschaftsfaktor. Unweigerlich fühlte sich meine Tochter dadurch verletzt; sie ist schließlich kein seelenloser Roboter.

Es ist wie bei der Geschäftsfreundlichkeit: für den einen Verkäufer ist jeder Kunde Mensch, für den anderen jeder Mensch ein Kunde. Es klingt ganz ähnlich, doch es liegen Welten dazwischen. Nachdem ich selbst gespürt habe, wie verletzend und entwürdigend es ist, als Faktor behandelt zu werden, bemühe ich mich sehr darum, auf der Seite derer zu stehen, die im anderen immer zuerst einen Menschen mit seinen Bedürfnissen und Sehnsüchten sehen.