Kreative Energien

Du kannst mit dem urteilenden Verstand nicht an die Innenseite der Dinge.

Dies sagte mir im Gespräch eine der Frauen, die ihre Erzeugnisse am Lunzer Webermarkt anboten. Ihre kunstvoll aus handgesponnener Wolle von Schafen und Kaschmirziegen gewebte Decke wärmt mich nicht nur beim Mittagsschlaf, sondern erinnert mich auch an die kreative Begeisterung, die die Weber und Weberinnen versprühten. Sosehr man den Verstand benützen muss, sein Urteil bezieht sich stets nur auf die Vergangenheit. Die schöpferische Tätigkeit hingegen ist in die Zukunft gerichtet und hat viele Möglichkeiten der Entfaltung. Ich wanderte durch die Arkaden und Kemenaten des mittelalterlichen Ammonhauses, probierte Schals und Filzhüte, suchte mit meinem Mann bunte Tischsets aus, unterhielt mich über Techniken und Garne, erneuerte alte Freundschaften und ließ mich inspirieren.

Als ich den Webermarkt verließ, wusste ich, dass ein wichtiger Teil meines Selbst schlafen bleiben würde, wenn ich mich nicht kreativ betätige. Ohne Leistungsdruck und nur zur Freude bemalte ich ein paar Seidentücher. Der Umgang mit Farben faszinierte mich. Meine rechte Gehirnhälfte begann zu arbeiten. Man sagt, sie kann viel mehr Eindrücke in der Sekunde aufnehmen, als die urteilende linke, die gleich einmal „nein“ sagt, oder zumindest „ja, aber“. Ich habe mir vorgenommen, stattdessen öfter „aber ja!“ zu sagen und damit meine rechte Gehirnhälfte zu fördern.