13. Jänner 2008

Im ersten Morgenlicht sehe ich sie wieder mit ihrer typischen Plastikenten-Silhouette. Sie haben auf der Sandinsel geschlafen, die vom Dart River umspült wird. Dahinter, östlich von unserem Schlafplatz und tiefer drinnen im Delta, sind noch weitere Inseln, größer und mit niedriger Vegetation bewachsen. Kanadagänse haben dort übernachtet und steigen jetzt, eine nach der anderen ins Wasser, um fort zu schwimmen. Ein Paradiesentenpaar ruft laut aus der Lagune, die durch unsere Halbinsel, auf der wir geschlafen haben, vom See getrennt ist. Als ich mich nähere, fliegen sie auf. Die ferne Morgensonne zeichnet die Grate übergenau und färbt viele Wolken rosa, während andere dunkel bleiben oder schon weiß sind. Es ist fast windstill, das Wasser in der Lagune ist glatt wie ein Spiegel. Ich kann die Enten und die Gletscher drin sehen. Draußen am See, auf einer der kleinen Schotterinseln, sitzt ganz ruhig ein Kormoran.

Die Fahrt zurück nach Glenorchy führt zuerst das mächtige, schottrige Flussdelta entlang, das von ebenen Schafweiden, in denen lustige Hügelchen stehen, gesäumt ist. Über eine lange Brücke queren wir den Dart, umfahren die Südspitze des Mt. Alfred, dessen ebener Fuß von Rindern beweidet wird, fahren nach der Abzweigung ins Paradies, in dem wir gestern waren, über den Rees mit seinen Schotterbänken und schauen dann von der Straße, die hier östlich der Deltas höher am Hang liegt, auf die große Lagune mit den schwarzen Schwänen und weit dahinter auf das Dart- Delta, hinter der die kleine Lagune liegt, neben der wir geschlafen haben. Und schon sind wir in Glenorchy, genau gegenüber von Kinloch. Jetzt wissen wir, wie klein die Laterne ist, die wir in der Nacht zuvor hier herüber haben leuchten sehen. Mit dem Schiff wäre es nicht weit, auf der Straße mussten wir einen riesigen Bogen fahren, um das Funkayaking am Dart River zu buchen. Wir kaufen noch eine Opossum-Pelzjacke für Julia und eine Kappe für Vinzenz.
Dann fahren wir den weiten Weg wieder fast zurück und zweigen Richtung Lake Sylvan ab. Während Gerald im Auto Sudoku auflöst und sich tapfer gegen die Sandflies wehrt, überquere ich auf einer Hängebrücke einen wilden Fluss und wanderte durch einen trockenen Wald aus Red- und Mountain- Beeches. Der Himmel ist bedeckt. Im Wald ist es düster. Die riesigen Bäume haben oft Gallen so groß wie Medizinbälle. Sie erinnern an Gnomgesichter. Manche haben Stelzenwurzeln, da sie vor hunderten Jahren auf einem toten, am Boden liegenden Stamm gekeimt sind. Der ist längst verrottet, manchmal bleibt eine Höhle zurück. Eine ist so groß, dass ich bequem darin Platz habe.
Einen kleinen braunen Bach entlang, der sich durch den Wald schlängelt, gelange ich schließlich zum Ufer des Sylvan Sees, aus dem er entspringt. Er ist ganz von dichtem Wald umwachsen, Manukasträucher, schöne kleine Totara, das sind Nadelbäume, und mannshohe Toatoa, deren gelappte Blätter eigentlich umgeformte Äste sind, weiter weg vom Ufer ein junger Wald aus Mountain Beeches deren schlanke, dunkelgrau längsgestreifte Stämme lauter helle Flecken haben, eine glatte Flechtenart, die wiederum an manchen Stellen orange Flecken aufweisen. Dunkel und still liegt der See und dunkel ist der Wald rundherum. Für Augenblicke werden zwischen wallenden Wolken dunkle steile Gipfel sichtbar. Unter den dichten jungen Mountain Beeches führt der Weg zu einem Moor. Auf feuchtem Boden mit Moosen bewachsen, manche leuchtend grün, manche weißlich und andere braunrot, stehen abgestorbene Bäume, von deren dunkel in den grauen Himmel ragenden Ästen lange bleichgrüne Flechten gleich Bärten herunterhängen. Zwischen den toten Stämmen stehen Büschel von hohem Seggengras.

Auf dem Rückweg sehe ich eine hunderte Jahre alte Südbuche, die dem letzten Sturm zum Opfer gefallen ist. Ihr mächtiger, meterhoher Strunk ragt noch mit einer zersplitterten Spitze auf. Innen ist er schon ganz morsch. Der übrige Stamm hat bei seinem Sturz einige jüngere Bäume geknickt, an einem anderen Urwaldriesen entlanggeschert und einen bereits abgestorbenen Stamm mitgerissen. Das muss ein schreckliches Krachen und Splittern gewesen sein. Auf einem toten, aber noch stehenden hohlen Stamm sehe ich winzig kleine Vögel auf- und abhüpfen und dabei wie Mäuse piepsen. Ihre Unterseite ist hell, die Flügelenden dunkel, der Rücken grüngrau. Vielleicht ein paar Punkte auf der Brust. Ein ganz kurzer Schwanz. Wahrscheinlich Riffleman, olivgrün, winzig, auf beeches, in Spiralen hüpfend.