Wehret den Anfängen!

Kaum hatte mein Mann seine Melanzanipflanzen ins Folienhaus gesetzt, als die Kartoffelkäfer schon ihre Eier darauf ablegten. Ich zerdrückte sie und stellte mir dabei vor, wie viel mehr Arbeit es ist, von inzwischen gewachsenen Pflanzen die dicken roten Maden abzuklauben, die dann außerdem schon einen beträchtlichen Schaden angerichtet haben.

Ist es nicht öfter so, dass Übel, die man anstehen lässt, sich unmäßig auswachsen? Einjährige Kinder zum Beispiel sind normalerweise darauf bedacht, es den Eltern recht zu machen. In diesem Alter versäumen viele Eltern, Charakterschwächen zu korrigieren, obwohl es da noch ganz leicht ginge. Ein missbilligender Blick, ein Nicht-Reagieren, ein ruhiges „Nein“, genügen oft schon, um zu verhindern, dass sich eine Unart festsetzt. Wenige Monate später haben sich bereits Verhaltensmuster gebildet.

Wenn die Eltern versäumt haben, die Kinder zu erziehen, dann erziehen umgekehrt die Kinder ihre Eltern. Sie haben sehr schnell heraußen, welche Methode zum Erfolg führt. Und wenn die erfolgreichste Methode ein Wutanfall ist, werden sie versuchen, auf diese Art ihr Ziel zu erreichen. Dummerweise machen wir Erwachsenen es ihnen später zum Vorwurf. Dabei schulden wir es ihrer Freiheit, dass sie sich nicht von Wut oder Faulheit knechten lassen müssen. Früher als wir glauben, sind sie schon hellhörig für unser liebevolles Leiten und auch für unsere Begründung, die niemals fehlen sollte. Natürlich legen die Kartoffelkäfer mehrmals ihre Eier und sicher wird man auch einmal welche übersehen. Aber fünf Maden lassen sich leichter entfernen als fünfzig.