Zusammen!

Zusammen!
Regina Hilsberg

Aus dem Inhalt: In früheren Zeiten haben die meisten Kinder ihr Leben neben den Eltern verbracht. Sie waren nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, da die Eltern sich mehr anstrengen mussten als heute, den Lebensunterhalt zu verdienen. Aber: die Kinder waren immer dabei, erlebten die Eltern als Schaffende, lernten vieles automatisch und waren schon früh in den Lebenserhaltungsprozess eingebunden. Diese Lebensweise barg viele Vorteile. Erstens waren die Kinder in den ersten Lebensjahren ständig mit der Mutter (und dem Vater) zusammen. Daher konnte sich eine feste Beziehung aufbauen und eine stabile Grundgeborgenheit. Kinder unter drei Jahren cirka sind noch nicht imstande, für ihre Bezugspersonen innere Repräsentanzen auszubilden. Sie wissen daher nicht, dass ihre wichtigsten Bezugspersonen auch existieren, wenn sie nicht anwesend sind. Zweitens die Kinder sind gemeinsam mit den Eltern unterwegs, haben das gemeinsame Ziel, den Lebensunterhalt zu sichern. Das verbindet viel mehr, als ein Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Drittens Kinder wissen von Anfang an, dass Arbeit zum Leben notwendig ist. Heute fehlt Kindern weitgehend diese Erfahrung und sie glauben, alles was sie bekommen ist selbstverständlich.
In heutiger Zeit arbeiten die Eltern meist außerhalb des Erfahrungsbereiches der Kinder. Die Kinder haben keine Möglichkeit, ihre eigene Tüchtigkeit aufzubauen, können daher auf nichts stolz sein. Die heutige Gesellschaft hat eine seltsame Scheu, Kinder zu leichten Tätigkeiten heranzuziehen. Aus begreiflicher Ursache ist Kinderarbeit verpönt. Hier hat man aber das Kind mit dem Bad ausgegossen und ihm die Möglichkeit zu einer sozialen Beteiligung genommen. Außerdem fehlt die tiefe Verbundenheit, die durch gemeinsame Arbeit entstehen kann. Auf diese Weise verlieren wir unsere Kinder spätestens an die Peergroup. „Stehen im Verlauf des Heranwachsens keine Erwachsenen verlässlich zur Verfügung, die dem Kind als Lotse dienlich erscheinen, wird es seine Bindungsenergie auf diejenigen richten, die es regelmäßig erreichen kann. Das sind in unserer Gesellschaft die Gleichaltrigen,…“ S.87 Dort herrscht aber das Gesetz des Stärkeren. Leitend sind unreife Menschen, die noch selbst keine feste Orientierung gefunden haben.
Mit der langen Schulbildung sperren wir die Kinder aus vom wahren Leben. „Angeleitet werden sie von einem Erwachsenen, der das, was er tut, nicht tut, weil es nötig ist, sondern weil er es den Schülern vormachen muss.“ S.118f Die Schule stellt Erwachsen vor die Kinder als Belehrer und nicht neben die Kinder. Nicht jedes Kind kann seine persönlichen Fähigkeiten und Interessen in der Schule so ausleben, dass ein Selbstwertgefühl entsteht. Wir liefern sie ihrem schlimmsten Feind aus, der Langeweile. „Wie viel Lebenslust wird verscherzt, wie viel Lernmotivation gedämpft, wie viel unnötiges Risikoverhalten in Kauf genommen, weil Heranwachsende bei uns nicht „benötigt“, sondern lediglich „belernt“ und „bespaßt“ werden!“ S. 230 f

Wir können nicht in die mittelalterliche Gesellschaft zurückkehren, aber wir sollten diese Erkenntnisse im Auge behalten und zum Anlass nehmen für politische Veränderungen. Von der Kinderkrippe neben dem Arbeitsplatz, vom „rollenden Kinderzimmer“, von der finanziellen Anerkennung der Erziehungsarbeit der Eltern, über Gärten im Kindergarten zu Werkstätten oder Küchen in der Schule, in denen etwas Wichtiges und Sinnvolles produziert wird. Hier heißt es mutig und kreativ sein. Vieles ist möglich, denn das Geheimnis einer guten Erziehung liegt nicht in einer bestimmten Methodik, sondern in der Bindungsbeziehung.