2. Februar 2008

Der Farewellspit ist eine 30 km lange Sandzunge, die vom Cape Farewell Richtung Osten in die Golden Bay hineinragt. Sie ist Vogelschutzgebiet und für die Öffentlichkeit gesperrt. Ein Unternehmen hat eine Spezialerlaubnis.

So fahren wir mit einem großen roten Allradbus auf dem glatten festen Sand, den die Ebbe freigegeben hat, bis zum Leuchtturm. Der feste Sand ist dunkel und feucht. Darüber jagt hellerer Treibsand in Schwaden. So vibbernd bläst er dahin, dass man meint in Wasser zu fahren. Es ist bedeckt und die Temperaturen angenehm. Links von uns braust die tasmanische See in vielen Wellenkämmen hintereinander, die sich überschlagen und deren Gischt vom Sturm verblasen wird. Rechts von uns, hinter der glatten Sandfläche, beginnen die Dünen. Manche sind von hartem Gras bewachsen, manche sind wandernde Dünen aus reinem feinem Sand, die Oberfläche vom Wind gezeichnet, an den Kämmen Staubfahnen, in den Tälern besonders schöne vielgestaltige Muster. Auf der Rückfahrt werden wir auf eine der Dünen klettern, ein richtiger Berg in dieser Ebene voll Wind und feiner Gischt. Jetzt aber fahren wir noch weiter nach Osten durch wehenden Sand zwischen Ozean und Dünen, hinter denen die Sandfläche von Büschen, Manuka und Flax bewachsen ist, bevor sie wieder zur Küste wird, auf der die vielen Vögel leben.

Das kann ich vom Leuchtturm aus sehen. Als noch ein echtes Feuer dort brannte, waren 3 Männer dazu notwendig, es ständig zu unterhalten. Sie wohnten mit ihren Familien an diesem einsamen Ort in drei, etwas voneinander getrennten Holzhäusern mit Regenwassertanks. Um das Gefühl des Ausgesetzt – Seins auf dieser flachen Landzunge im tosenden Meer etwas zu mildern, hat einer der Leuchtturmwärter jedes Mal, wenn er aus Collingwood zurückkehrte, einen Rucksack voll Muttererde und einen Setzling mitgenommen und Kiefern gepflanzt. Jetzt sind sie 100 Jahre alt und fast schon so hoch wie der Leuchtturm. Vom Anfang des Spits kann man sie gerade noch sehen und für die Schiffe sind sie ein wichtiges Zeichen.

Nach einer Pause geht die Fahrt wieder zurück. Wir umkreisen Robben , die sich im Sand ausrasten, auf dem Rücken oder auf dem Bauch, ist ihnen egal. Austernfischer laufen der Wassergrenze entlang, Jungvögel hinterher, zum Teil noch ganz wollig. Ein riesiger Jungvogel in brauner Tarnfarbe sitzt am Strand. Als wir näher kommen fliegt er unbeholfen auf und breitet seine langen Flügel aus: es ist ein Gannet (bei uns nennt man ihn Basstölpel , weil er an Land so ungeschickt ist, dafür aber ein exzellenter Stoßtaucher). Tausende davon brüten hier unweit des Leuchtturmes auf einer Sanddüne und nicht wie sonst überall auf einer Steilküste, weil sie hier ungestört sind. Ein paar der Gannets mit ihren gelben Köpfen, ihren weißen Körpern und schwarzen Flügelspitzen überfliegen uns, riesig (2mFlügelspannweite)! Nach viereinhalb Stunden Fahrt kommen wir zurück zum Beginn des Spits. Gerald legt sich todmüde ins Auto und ich wandere noch einmal auf die andere Meerseite zur Tasmanischen See, um der Westküste ein letztes Lebewohl zu sagen. Wie herrlich sie ist!

Auf unserer Seite, der Golden Bay zugewandt, ist Flut. Sie treibt die Vögel näher hin zum Ufer. Ich pirsche im Schlick nahe an sie heran. Schwärme steigen auf und ich bin mitten unter ihnen. Seeschwalben, weiße und schwarzweiße Austernfischer, Reiher (White Face Heron), Möwen (Red-Bill Gull, Black Back Gull), braunweiße kleine Vögel (Banded Dotterel, Regenpfeifer), sowie Pied Stilt (Stelzenläufer) und Schnepfen. Die Black Back Gulls sind eher einzeln und stets in der Nähe ihrer großen braunen Jungen, die Seeschwalben stehen dicht beisammen, immer in dieselbe Richtung blickend, und fliegen im Schwarm auf, die weißgesichtigen Reiher stehen einzeln oder in Paaren, die Schnepfen in kleinen Gruppen, die schwarzen Schwäne in endlosen Reihen, einer hinter dem anderen. Sie schwimmen einfach weg, wenn sie sich bedroht fühlen. Ihre Fußspuren sind handtellergroß. Wind, Regentropfen, Schlick und Vögel, so viel Atem der Natur! Ich fühle mich als ein Teil von ihr und bin glücklich.