Müttergehalt – Vätergehalt

Die Erziehungsarbeit innerhalb der Familie braucht eine gesellschaftliche Anerkennung

Ist man in Wien mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, kann man regelmäßig Drogendealern bei der Arbeit zusehen. In manchen Berufsschulen ist illegaler Waffenbesitz an der Tagesordnung, Drogen sind allgegenwärtig. Nachrichten von Gewalttaten Jugendlicher erhalten wir nicht mehr nur aus den Medien, sondern immer öfter über Bekannte und Freunde.

Wenn wir Jugendliche, die im Bereich Drogen oder Gewalt auffällig geworden sind, genauer beobachten, merken wir, dass sie sich ungeborgen und wertlos fühlen. Daher versuchen sie, mit Gewalt ihren Selbstwert zu erhöhen und ihre Sehnsucht nach Geborgenheit zu stopfen.

Wie entsteht Grundgeborgenheit? Durch Zärtlichkeit und klare Grenzen. Liebe- und respektvoller Umgang muss Hand in Hand gehen mit Forderungen, die dem jeweiligen Alter des Kindes entsprechen. Je mehr Kompetenz es erwirbt, desto sicherer wird das Kind werden, desto wertvoller wird es sich empfinden. Wichtig ist, dass man die Förderung des Kindes nicht abgibt, wenn es in den Kindergarten oder in die Schule kommt. Nur die Eltern wissen wirklich um die verborgenen Schwächen und die besonderen Begabungen ihres Kindes. Nur sie können sie abfangen, locken, spielerisch trainieren und fordern im rechten Maß. Mit dem Alter sollten die Anforderungen wachsen, bis sich in der Pubertät der Jugendliche schon selbst versorgen kann.

Manche Eltern werden sich vielleicht fragen, woher sie die Zeit nehmen sollen, sich so viel mit den Kindern zu befassen. Aber sind die Kinder nicht unser kostbarstes Gut? Ich glaube, in unserer Gesellschaft wird die Erziehungsarbeit zu wenig geachtet. In den letzten Jahrzehnten ging der Trend dahin, die Erziehung der Kinder so früh wie möglich auszulagern, damit auch die Frauen arbeiten gehen können. Heute sieht man die Früchte dieser Politik: Probleme mit Drogen und Gewalt haben zu-, Leistungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein abgenommen. Einer ganzen Generation fehlt es an gesundem Selbstwertgefühl.

Aber wer bringt es unseren Kindern bei? Wer schafft das warme Nest, in dem es erst entstehen kann? Wer baut die erste wichtigste Beziehung auf, die zur Grundlage für alle weiteren Beziehungen wird? Wer geht ein auf die persönliche Eigenart des Kindes, arbeitet geduldig seine Schwächen auf, entdeckt und formt seine Stärken? Wer bestimmt das Maß an Verantwortung, das einem Kind schon übertragen werden kann? Wer fängt Schwierigkeiten in der Schule ab, motiviert, baut auf und tröstet? Wer ergänzt, was gestresste Lehrer nicht schaffen? Wer sorgt für Bewegungsausgleich, wer fördert die musischen, kreativen und sozialen Begabungen? Es sind die Mütter und Väter.

Daher brauchen wir, auch in Anbetracht der rapide sinkenden Geburtszahlen, eine Gleichstellung der Erziehungsarbeit von Müttern und Vätern mit anderen Berufen. Diese wichtigste Aufgabe einer Gesellschaft, nämlich die Erziehung künftiger Staatsbürger sollte endlich genauso anerkannt und genauso bezahlt werden wie alle anderen Berufsgruppen. Dann ist keine Familie mehr gezwungen, ihre Kinder frühzeitig einer externen Betreuung zu überlassen, die nie und nimmer die Nestwärme und Kompetenz vermitteln kann, die das Kind zu einer gesunden Entwicklung braucht. Es gibt keine andere Institution, die diese Aufgabe auch nur annähernd so gut erfüllen kann wie eine Familie. Dieser Tatsache müsste auch die Politik Rechnung tragen, zum Beispiel durch eine gerechte Entlohnung für Erziehungszeiten. Dann hätten wir in 20 Jahren sicher deutlich weniger Probleme mit gewalttätigen und drogensüchtigen Jugendlichen.