21. Jänner 2008

In der Früh fahren wir bald los, die Steilküste entlang Richtung Norden. An ins Meer verstreuten Felsen brechen sich gleichmäßig die Wellen. In Barrytown buchen wir für Gerald einen Messerworkshop auf einem wildromantischen Hof mit einem wunderschönen Apfelschimmel. Gleich dahinter beginnt der Berg mit Regenwald, zum Meer hin fällt Weideland sanft ab. Was für ein herrlicher Ausblick!

Punakaiki: Pancake-rocks

Der Kalkstein an der Küste besteht aus unterschiedlich harten, dünnen Schichten. Die weicheren verwittern schneller als die härteren, wodurch die Felsen aussehen, als wären Palatschinken zu hohen Türmen gestapelt (daher der Name). Ein schöner, rollstuhlgerechter Weg führt uns herum. Aus einem von Vegetation überwachsenen Loch im Boden hören wir das ferne Donnern der Brandung wie das tiefe Schnauben und Brüllen eines Urweltungeheuers, zuerst unheimlich und leise, plötzlich aber wie ein schrilles Schreien, dann ist es wieder still. Die Laute erinnern mich an den Balrog in „Herr der Ringe“. Wir kommen zu einem großen, nahezu rechteckigen Becken. Eine Seite ist unten zum Meer hin offen, darüber führen die Felsen wie eine Brücke. Durch die Öffnung brandet das Wasser herein, drückt in die eine Ecke, spritzt dort an der Steilwand hoch, wird auf der anderen Seite durch einen unterirdischen Kanal gepresst und lässt an dessen Ende von Zeit zu Zeit gischtnebelige Luft durch ein Loch im Felsen emporschießen, ein so genanntes Blowhole . Von einer hochgelegenen Aussichtsplattform aus sieht man in einen breiten Schacht aus Pancake-rocks in den die Brandung in unregelmäßigen Abständen vordringt und in unterschiedlich hohen Gischtfontänen in die Höhe spritzt, manchmal bis auf die, dann meist quietschenden, Besucher. Währenddessen zeigt sich ein Regenbogen im Gischtnebel zwischen den Palatschinkenklippen, danach rinnt die weiße Gischt über die Rippen und Simse in immer neuen Mustern wieder in die Tiefe. Wir bewundern die skurillen Formen der Felsen und die Nikaupalme , die südlichste Palmenart mit ihren ringförmig gemusterten Stämmen und den bis zu 3 Meter langen Blättern mit dem topfförmigen Blattgrund, den alle Blätter ineinander stecken. Dadurch entsteht das typische Aussehen dieser Palme: ein hoher Stamm, eine dicke grüne „Kugel“, aus der alle Blätter entspringen. Alte Blätter werden samt dem großen Blattgrund, also der äußersten Schicht der grünen Kugel, abgestoßen. Plötzlich zeigt Gerald nach Süden. Jenseits der breiten Bucht, die von den Pancake-rocks begrenzt wird und in die in langen Linien eine schaumgekrönte Welle nach der anderen strömt, hat er eine weitere weiße Linie entdeckt, blass, aber doch eindeutig die Kette der Gletscher, bis weit nach Süden hin.

In eine andere Bucht etwas weiter nördlich führt ein Weg durch den Busch, mit Baumfarnen, Nikaupalmen, Kamahi mit ihren dünnen, hell gefleckten Stämmen, mit Rimu, an den sich Northern Rata anklammert, Kiekie, dieser Kletterpflanze mit den lilienartigen Blättern, die wir schon in Haast gesehen haben und zwei weiteren Schlingpflanzen, dem Supple-Jack mit seinen seilartigen Stämmen, kreuz und quer zwischen den Bäumen und der Kohia mit orangefarbenen Beeren. Wir verlassen den Urwald und gelangen auf einen rutschigen vorspringenden Felsen, von dem aus Gerald die Bucht sehen kann, in die ich hinuntergehe. Der Strand besteht aus lauter, fast stecknadelkopfgroßen Steinchen, mehr dunkle als helle, und ist von Steilwänden umgeben, horizontal gerippt, oder löchrig, oft überhängend oder gar große Höhlen bildend. Eine von der Brandung nasse, glatte Wand glänzt im trüben Licht des wolkenverhangenen Tages. Auf umtosten Felsen sitzen Möwen. Ich muss mich zusammennehmen, nicht zu oft „wunderbar“ und „wunderschön“ zu schreiben, wenngleich uns auf dieser Reise jeder Abschnitt wie ein neues Wunder vorkommt.

Wir essen am Meer, im schottrigen Mündungsbereich eines Flusses, ich nehme ein erfrischendes Bad, es beginnt zu regnen.

Am Nachmittag besuchen wir den Souvinierladen in Punakaiki. Anspruchsvolles Kunsthandwerk aus Jade, Serpentin und anderen Steinen, Silberschmuck und schwarze Steine mit eingravierten Mustern. Besonders gefallen mir Keramikvasen mit märchenhaft bunter Glasur und kleine Ladenkästen, aus Stammquerschnitten gefertigt.